Messie

 

Symptombild

 

Das Messie Syndrom wurde lange Zeit übersehen. dennoch ist es in der Gesellschaft weit verbreitet. Die Betroffenen versuchen aus Scham, ihre Probleme zu verbergen und neigen zur Unauffälligkeit. Man schätzt 1,8 Millionen akut Betroffene. Das Messie Syndrom zeigt sich unterschiedlich stark. Es variiert von permanenter leichter Unordnung bis zu völlig vermüllten Wohnungen. In der Öffentlichkeit wird Messie mit sehr unordentlichen Wohnungen gleichgesetzt. Das Symptombild ist aber differenzierter. Zu erkennen sind:

 

  • Die Hemmung, sich von Dingen zu trennen, die objektiv nicht mehr gebraucht werden

  • Die Hemmung, zu handeln und Aufgaben zu erledigen, Procrastination genannt

  • Probleme mit der Pünktlichkeit

  • Schwierigkeiten, Gefühle wahrzunehmen oder zu äußern

  • Neigung zu Perfektionismus

  • Widerspruchsneigung

  • Bindungsängste

  • Geringer Selbstwert

  • Neigung zu depressiven Verstimmungen

 

Die ersten zwei Symptome bilden das Fundament der Symptomatik. Die anderen Symptome müssen nicht immer zutreffen. Andere, nicht genannte Symptome können in Einzelfällen dazukommen. Das Symptom des Aufschiebens ist ein zentrales Element im Leben eines Messies. In meiner Aufstellungspraxis werde ich deshalb sofort sehr aufmerksam, wenn eine Klientin Anliegen vorträgt wie:

 

  • Ich möchte bei meiner Arbeit effektiver werden.

  • Ich mochte die Abneigung vor bestimmten Tätigkeiten vermindern.

  • Ich möchte wissen, warum ich bestimmte Dinge lange vor mir her schiebe, die zu erledigen für mich kein Problem sind.

 

Meist stellt sich auf Nachfragen heraus, dass mit der Ordnung ebenfalls ein Problem besteht. Die Klientinnen geben z.B. an, dass die Wohnung meist unaufgeräumt ist, oder man es gar nicht gerne sieht, wenn überraschend Besuch auftaucht. In solchen Fällen ist meist ein Messie Syndrom vorhanden. Die Betroffenen leiden darunter, dass es ihnen nur mit viel Mühe gelingt, Ordnung zu halten und die anfallenden Tätigkeiten zu bewältigen. Nach außen fallen sie kaum auf. Achtet man genauer auf die Symptome, entdeckt man in seiner Umgebung viele Menschen mit Messie Syndrom. So ist möglicherweise die oben genannte Schätzung von 1,8 Millionen Betroffenen zu gering bemessen.

 

Entstehungsgeschichte eines Messies

 

Der Messie als Kind

 

Am Anfang der Entwicklung steht eine Mutter, die auf Grund von eigenen Traumatisierungen nicht in der Lage ist, die Bindungsbedürfnisse ihres Kindes zu befriedigen. Die Kinder entwickeln ein unsicher vermeidendes Bindungsverhalten. Das Kind gibt aber nicht auf und versucht mit Leistung die Zuwendung und Anerkennung der Mutter zu ereichen. Mit diesem Versuch trifft das Kind auf eine Mutter, deren Leistungsanspruch unrealistisch hoch ist. Beispielsweise verfolgt die Mutter eine verfrühte Reinlichkeitserziehung. Das Kind identifiziert sich mit diesem Leistungsanspruch und versucht ihm gerecht zu werden. In der Praxis wird es, wenn überhaupt, nur mit viel Energie die Erwartungen der Mutter erfüllen können. Das Kind befindet sich in einem Dilemma. Auf der einen Seite braucht es eine Bindung zur Mutter, weil sie das Überleben sichert. Auf der anderen Seite scheitern in der Regel die Bemühungen diese Bindung über Leistung herzustellen. In der Literatur ist in diesem Zusammenhang von Frustration die Rede. Für das Kind geht es aber um seine Existenz. Diese Existenzangst ist für das Kind unerträglich. Deshalb kommt es zur Abspaltung und zur Bildung von Überlebensstrukturen.

 

Das Kind flüchtet sich in Allmachtsfantasien.

Es versucht Dinge, die es gut kann, zur perfektionieren und vermeidet Dinge, die es nicht gut beherrscht.

Es verdrängt Gefühle generell um seine Unzulänglichkeit. Abhängigkeit und die Existenzangst nicht zu spüren.

Es reduziert seine Vitalität um Veränderungen zu vermeiden. Bei Veränderungen besteht die Gefahr die Existenzgrundlage zu verlieren.

Es hält sich an äußeren Strukturen fest.

Es versucht möglichst wenig aufzufallen.

Er versucht sich gegen möglichst viele Gefahren, z.B. Verarmen, zu wappnen.

 

Der Messie als Erwachsener

 

Alle Ängste bestehen im Erwachsenenalter weiter. Durch den lieblosen Umgang der eigenen Mutter und des Vaters beschließt der erwachsene Messie, es anders zu machen. Er darf niemanden enttäuschen, so wie er selbst enttäuscht wurde. Dabei kommt es zu einer Objektverschiebung von Personen auf Dinge. Betrachtet ein Messie einen Gegenstand der früher einmal wichtig oder nützlich für ihn was, so spürt der Messie noch eine Verbundenheit, die er nicht enttäuschen will. Zugleich taucht die Überlegung auf, dass das, was in der Vergangenheit wichtig war, in der Zukunft doch nicht unwichtig sein kann. Vielleicht ist das, was er gerade in den Händen hält, genau dass, was ihn in der Zukunft vor dem Untergang rettet. Hier tauchen die alten Existenzängste wieder auf. Das Resultat ist, dass er auf nichts verzichten kann.

 

Das Verhältnis zur Leistung bleibt ebenfalls gestört. Er steckt in einer Zwickmühle. Ohne Leistung keine Anerkennung, mit Leistung die drohende Katastrophe. Die Katastrophe war ursprünglich die Ablehnung der Mutter, jetzt wird sie auf das Scheitern jeglicher Aktivitäten übertragen. Als Ausweg bleibt ihm Aktionismus, Pläne schmieden, aber nichts fertig machen. Wenn er dennoch etwas beenden muss, so versucht er es fehlerfrei zu machen. Er entwickelt einen Perfektionismus. In jungen Jahren kann er noch mit viel Energie und Disziplin den Alltag bewältigen, in vorgerücktem Alter wird es immer schwerer.

 

Zusammenfassung

 

Die Zusammenhänge des Messieverhaltens sind vielen Aufstellungsleitern unbekannt. Mehrfach habe ich fremde Aufstellungen mit Messies erlebt, die am Kern des Problems weit vorbei gingen. Messies mussten, um das Leben zu bewältigen, mächtige Überlebensstrukturen entwickeln, Die gesunden Anteilen haben im Alltag wenig Raum, um sich zu entfalten. Deshalb leben Betroffene weit hinter Ihren Möglichkeiten. Es geht mit den Kindern weiter. Eine Mutter mit Messiesyndrom kann auch die Bindungsbedürfnisse ihrer Kinder nicht befriedigen. Sie selbst übernahm als Kind den überzogenen Leistungsanspruch ihrer Mutter und gibt ihn jetzt an ihre Kinder weiter. Das Kind wird in seiner Entwicklung gestört, wird aber nicht automatisch auch zum Messie.  Damit ein Kind zum Messie wird, müssen bei dessen Mutter auch massive Täteranteile aktiv sein, die die Ängste des Kindes zusätzlich erheblich verstärken